Historischer Studienkreis Hamburg / Berlin


 
Ein Beitrag im Online-Magazin
von Andreas Effland, M.A.



 
Zur Geschichte und Lage des sogenannten
"Petit Dépôt"
im Chenois bei Vaux (Verdun)

 
 
 
Es ist auf keiner aktuelleren Landkarte mehr verzeichnet, kaum ein Tourist, der auf der nahen Straße zum vielbesuchten Fort Vaux fährt kennt es, und kein Hinweisschild gemahnt an diesen Ort. Heute fast vergessen, war das sogenannte Petit Dépôt jedoch während der Schlacht um Verdun 1916 ein heftig umkämpfter, tragischer Schauplatz.

Das Petit Dépôt wird gelegentlich auch Zwischenmagazin h (Vaux Süd) oder Werk 579 (Steinbruch 579) sowie in frühen Frontberichten auch "Stützpunkt Hölle" genannt.

Hinter den französischen Batterien befanden sich in Verdun insgesamt 26 Zwischenmagazine (dépots intermédiaires), die zumeist etwa um 1888 entstanden waren. Die Batteriestellungen sollten aus diesen Zwischenmagazinen nur Munition erhalten, wenn die Materialzufuhr aus den Abschnittsmagazinen unterbrochen war. Verdun besaß acht Abschnittsmagazine (magasins de secteurs), die mit den Zwischenmagazinen und Batteriemagazinen durch eine Schmalspurbahn verbunden waren.

Das Depot diente bei Kriegsausbruch 1914 zunächst seiner ihm zugedachten Bestimmung. Aus dem Zusammenbruch des belgischen Festungssystems hatte der französische Generalstab indes die Konsequenzen gezogen und am 5. August 1915 den Befehl zur Desarmierung des Festungsgürtels um Verdun erlassen. Aus den betonierten Zwischenmagazinen und festen Batterien wurden daraufhin 128.000 Schuß Munition zugunsten der Feldarmee fortgeschafft. In der Folgezeit diente das Kleine Depot den Franzosen primär als Befehlsstand.
 


Luftbildaufnahme des Gebietes um das Fort Vaux



Während des Angriffs der 1. und 39. I.D. am 21. Juni 1916 eroberte die 10. Kp. (Lt.d.R. Schultheiß) des 172. I.R. gegen 18 Uhr das Kleine Depot; es konnten dabei 115 Gefangene und drei MGs als Beute gemeldet werden. Etwa um 20 Uhr wurde ein erster französischer Gegenstoß abgeschlagen. Auch zwei weitere Handstreichversuche in der Nacht vom 25. auf den 26. Juni wurden abgewiesen, gleichfalls ein größerer französischer Angriff am 5. Juli.

Das Depot lag daraufhin an der Frontlinie in exponierter Lage, da es zangenförmig von den französischen Linien eingekeilt war. Bis zur Rückeroberung durch die Franzosen am 25. Oktober lag denn auch die äußerste Frontlinie lediglich zwischen 200 und maximal 400 m entfernt.

Der Stützpunkt wurde zunächst heftig von den Geschützen der noch immer von den Franzosen gehaltenen und intakten Hohen Batterie (Batt. de Damloup) sowie aus der Richtung des I-Raumes 780 (auch V.L.L. 1 genannt) beschossen. Erst am 3. Juli konnte die Hohe Batterie und am 11. Juli der I-Raum 780 erobert werden.

In der Nacht vom 5. auf den 6. Juli war inzwischen das 172. I.R. vom 126. I.R. abgelöst worden.


Skizze eines typischen Zwischenmagazins



Das 126. I.R. nutzte die etwa 50 qm große Anlage in der Folgezeit als Gefechtsstand und Verwundetensammelstelle.

Durch die zweite deutsche Sommeroffensive konnten die Stellungen zunächst nur geringfügig nach vorne verschoben werden. Die Sohle des Steinbruchs wurde bereits Anfang Juli wegen des anhaltenden Flankenfeuers von dem Montagnerücken und von der Hohen Batterie tiefergelegt, um leidlich besser geschützt zu sein. Der halbverschüttete Eingang konnte nurmehr kriechend passiert werden. Am 11. Juli waren im Stützpunkt nahezu 50 teils schwerverwundete Soldaten untergebracht, aber nicht alle Verwundeten hatten darin einen Platz gefunden, so daß weitere Verletzte im kleinen Steinbruch untergebracht werden mußten.
 
 


Frontverlauf im Juli 1916



Nach heftigen französischen Gegenangriffen am 15. Juli übernahm in der Nacht vom 16. auf den 17. Juli 1916 das 15. R.I.R. den Frontabschnitt am Kleinen Depot. Der französische Angriff vom 8. August traf dieses Regiment schwer; es mußte sich bis knapp vor das Depot zurückziehen und wurde am 9. August erneut durch das 126. I.R. abgelöst, welches in der Lage war, die Franzosen zurückzuwerfen.
Ab dem 27. August wurde dieses dann vom 132. I.R. abgelöst. In der Nacht vom 14. auf den 15. September  besetzte das 53. I.R. mit 3 Kompanien die Stellungen hart südlich des Stützpunktes. Während dieser Zeit bauten die Deutschen den Steinbruch weiter aus sowie einen Laufgraben zum Fort Vaux. Zwischen dem Kleinen Depot und der am 11. Juli eingenommenen Batterie h lief rechtwinklig zur Straße zum Werk La Laufée der sogenannte Altkirchgraben steil auf die Festung Vaux zu.
 


Übersicht über das Gebiet südlich von Fort Vaux



Im August wurden der Stab und zahlreiche Mannschaften des III. Bataillons des 15. R.I.R. durch Beschuß schwer gasvergiftet. Eine eingebaute Lüftungsanlage brachte zunächst keine Erleichterung, da diese das im Grunde des Steinbruchs befindliche Kohlenoxydgas in den großen Hohlraum saugte. Erst als die 100. Pionier Kompanie (Pionier Bataillon 18) einen Schleppschacht durch die nördliche Betonwand gebrochen hatte, war die Vergiftungsgefahr reduziert worden.

Ende September wurde ein Teilabschnitt der Stellungen dem 99. I.R. überlassen.

Ab dem 21. Oktober startete die Artillerievorbereitung für den am 24. Oktober beginnenden großen Gegenangriff der französischen Verbände. Der Gefechtsstand wurde in dieser Zeit von Kalibern bis 22 cm nahezu pausenlos beschossen. Auf französischer Seite wurde das 299. R.I (74. D.I.) in der Mitte des Angriffsabschnittes auf das Kleine Depot angesetzt.

In der Nacht auf den 24. Oktober rückte auf deutscher Seite das III. Bataillon des 53. I.R. in Stellung vor das Depot.

Im Stützpunkt befanden sich der Stab des 53. I.R., sieben Gruppen der 10., 11. und 12. Kp., ein Zug der I.Pi.Kp. 53, drei MG der 2. MG.Kp., der Verbandplatz des 53. I.R. und 6 Pioniere der Pi.Kp. 99; zusammen etwa 120 Personen.

Die 99. und 100. Pi.Kp. hatten in den vergangenen Wochen die unterirdische Kasematte durch einen schußsicheren Gang mit einer auf der Südseite gelegenen Stollengalerie verbunden. Diese wiederum besaß fünf Ausgänge zum Kampfgraben. Drei von ihnen waren indes durch anhaltenden Artilleriebeschuß verschüttet. Am 24. Oktober waren somit nur noch zwei Ausgänge offen, da sowohl der in den Steinbruch führende Haupteingang der Kasematte sowie zwei auf der Nordseite der Kasematte von Pionieren angelegte Schleppschächte zerschossen waren.

Skizze des Kleinen Depot


Um 15.00 Uhr war der französische Angriff auf dem Fumin an der Linie Fort Vaux, Werk 512 und Vaux-Teich zum Stehen gekommen. Erst eine Stunde nach Mitternacht kapitulierte die eingeschlossene und isolierte deutsche Besatzung des Kleinen Depots angesichts eines drohenden Flammenwerfer-Angriffs am 25. Oktober 1916, wobei sie bereits seit dem Nachmittag von der eigenen Artillerie beschossen wurde, da die Vorgänge am Kleinen Depot vom Fort Vaux aus nicht mit Sicherheit zu verfolgen waren.Die deutschen Beobachter wähnten das Depot bereits früh in französischer Hand und lenkten den Artilleriebeschuß auf den Stützpunkt.

Nach mehreren Angriffswellen war die Eroberung des Platzes jedoch erst mit Hilfe der französischen Divisionsreserve, dem 50. und 71. Jägerbataillon sowie einem Reservebataillon des 299. R.I., möglich; diese waren danach indes nicht mehr in der Lage die ihnen eigentlich zugedachte Aufgabe, die Erstürmung des Fort Vaux, durchzuführen. In der Kasematte wurden insgesamt 70 Gefangene gemacht, davon 40 Verwundete.

Nach der Rückeroberung und Sicherung des umliegenden Geländes diente das Zwischenmagazin nun den Franzosen als Gefechtsstand. Bald begannen französische Pioniere einen unterirdischen Gang vom Fort Vaux zum Kleinen Depot anzulegen, dessen Existenz jahrzehntelang geheimgehalten wurde. Der etwa 800 m lange Verbindungsgang zum Kleinen Depot besaß drei Ausgänge. Zudem existierte ein Ausgang zu einer Außenbatterie. Das Depot wurde erneut zur Verteidigung hergerichtet.

Der Ausgang dieses Tunnels von Fort Vaux zum Kleinen Depot ist im Winter 1983/84 witterungsbedingt unter dem Gewicht des Schnees zusammengebrochen.Um 1989 stürzte der letzte offen verbliebene Schleppschacht ein.

Wohl nicht zuletzt unter dem Einfluß verhältnismäßig leicht zugänglicher Fachpublikationen sollen auch einige Marodeure versucht haben, über die externen Ausgänge ins Fort Vaux zu gelangen; dabei sollen Einrichtungsgegenstände und Exponate des im Fort Vaux gelegenen Museums entwendet worden sein. Nach den Einbrüchen in die Festung wurden die Zugänge im Fort durch Eisengitter verschlossen (für detaillierte Informationen danke ich Herrn M. Massing).

Im September 1991 und Juni 2000 unternahmen wir (Historischer Studienkreis Hamburg/Berlin) zwei Surveys vor Ort. Ein ehemaliger, schmaler Pfad zwischen den Parzellen 515 und 521 führt heutzutage zum einstigen Stützpunkt. Dieser ist allerdings kaum noch ersichtlich, das Depot ist inzwischen völlig unzugänglich. Lediglich eine flache Mulde gemahnt an den kleinen Steinbruch (579). Der Weg dorthin wird auch durch das Dickicht des aufgeforsteten Waldes erheblich erschwert.


 

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 Literatur
 
  • H. Bordeaux, Les Captifs délivrés. Douaumont - Vaux (21 oct. - 3 nov. 1916), Paris 1917
  • Calsow, Samländisches Pionierbataillon Nr. 18, Oldenburg i.O. und Berlin, 1922
  • M. Egger, Die Stollenbauten in den Forts von Verdun während der Schlacht, in: IBA-Informationen, Sammelband 3 (Heft 8-10, 1986/87), 1993, 41-52
  • Geschichte der Kampfereignisse über das Fort Vaux während des Krieges 1914-1918, Verdun o.J.
  • E. Glück und A. Wald, Das 8. Württembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 "Großherzog Friedrich von Baden" im Weltkrieg 1914-1918, Stuttgart 1929
  • H. Leonardt, und H. von Troilo, Das 5. Westfälische Infanterie-Regiment Nr. 53 im Weltkrieg, Oldenburg 1924
  • H. Maillard, Das 5. Westfälische Infanterie-Regiment Nr. 53 im Weltkrieg 1914 - 1918,  Zeulenroda 1939
  • Reichsarchiv (Hg.): Schlachten des Weltkrieges. Band 14: Die Tragödie von Verdun 1916: II. Teil: A. Schwencke, Das Ringen um Fort Vaux, Oldenburg i.O. und Berlin 1928
  • G. Schalich, Kleiner Führer zu den Festungsanlagen von Verdun, IBA-Informationen, Sonderheft 15, Aachen 1990
  • G. Schalich, Das Kleine Depot in der Schlacht von Verdun, in: IBA-Informationen, Heft 20, 1992, 14-28
  • G. Schalich, Die Kleinanlagen im Fumin im Jahre 1916,  IBA-Informationen, Sonderheft 26, Aachen 1994
  • J. Steuer, Das 1. Unter-Elsässische Infanterie-Regiment Nr. 132 im Weltkrieg, Berlin 1931
  • H. Wegener, Die Geschichte des 3. Ober-Elsässischen Infanterie-Regiments Nr. 172, Zeulenroda 1934
  • G. Werth, Verdun. Die Schlacht und der Mythos, Bergisch Gladbach 1979, Augsburg 1990
 

 
 
Zum Petit Dépôt siehe auch E. Kassing, "Kleines Depot" südlich von Fort Vaux

 
Einige Photographien des Petit Dépôt finden sich auf der Homepage von Robinson M. Yost

Abbildung 1
Abbildung 2
Abbildung 3


 
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